Immobilienportrait: Schloss Boberstein/Wojanów-Bobrów

Arne Franke
Arne Franke  Fr, 17.05.2024
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Zu den außergewöhnlichsten Schlössern des im 19. Jahrhundert als „Schlesisches Elysium“ bezeichneten Hirschberger Tales/Kotlina Jeleniogórska zählt das Schloss Boberstein/Bobrów, dessen pittoresker Bau sich in malerischer Landschaftskulisse über dem Südufer des Flusses Bober/Bóbr erhebt.

Schloss Boberstein bis zum 19. Jahrhundert

Der seit vielen Jahren im Wiederaufbau begriffene Adelssitz geht wohl auf eine kleine Wehranlage zurück, die schon im 13. Jahrhundert im Zuge der „Bobergrenze“ zwischen dem polnisch-piastischen und dem böhmisch-přemyslischen Herrschaftsbereich zur Sicherung einer Furt durch den Fluss errichtet wurde. Daraus entstand unter Anton von Schaffgotsch um 1450, möglicherweise unter Verwendung eines älteren Wohnturmes, über einem trapezförmigen Grundriss ein „Festes Haus“, das offenbar in eine größere Hofanlage eingebunden war.

Seit 1607 im Besitz des Nickel von Zedlitz, ließ dieser die Anlage in Renaissanceformen umbauen und erweitern. Nach der Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg wechselten die Besitzer mehrfach, darunter spätestens 1737 an den Jesuitenkonvent in Hirschberg, bis Boberstein 1776 in die Hände des Hirschberger Patriziers und Schleierhändlers Daniel von Buchs gelangte. 1817 erwarb Carl Heinrich Sigismund von Rothkirch, der bereits die Rittergüter Berthelsdorf/Barcinek und Schildau/Wojanów besaß, das Schloss, das er schließlich 1836 an Ernestine von Köckwitz veräußerte.

Um 1880 kam das Rittergut in den Besitz des Georg Jakob Paul von Decker d. J., der aus einer prominenten, mit seinem Vater Rudolf Ludwig 1863 in den Adelsstand erhobenen Berliner Druckerfamilie stammte. Sein Sohn Hans Rudolf ließ das Schloss 1894 nach Plänen des Berliner Architekten Paul Roetger, der wenige Jahre zuvor bereits die Villa der Familie in Berlin-Tiergarten konzipiert hatte, umfassend umbauen. Dabei wurde der Baukörper des Schlosses mit Anbauten erweitert und mit Giebeln, Erkern und üppiger, der niederländischen und französischen Renaissance verpflichteten Ornamentik bereichert. Das pittoreske Erscheinungsbild wurde zudem durch den von kleinen Scharwachttürmchen begleiteten Turm verstärkt, der das großzügige Treppenhaus aufnimmt. Seitlich des Schlosses entstand eine außergewöhnlich gestaltete dreiflügelige Hofanlage, deren zweigeschossige Wirtschaftsgebäude, von trutzigen Türmen in Granit-Sichtmauerwerk eingefasst, an ein römisches Kastell erinnern. Zudem wurde die Anlage in einen kleinen Park eingebunden, der sich entlang des Bobers erstreckt.

Durch bewegte Zeiten zum kulturellen Erbe - Das 20. Jahrhundert

1922 erwarb die gräfliche Familie von Francken-Sierstorpff den Besitz, doch zog sie sich schon 1933 aus finanziellen Gründen aus dem Anwesen zurück und verkaufte das Gut an den nationalsozialistischen Staat. In das Schloss und die Nebengebäude zog zunächst eine SA-Sportschule ein. Ab September 1939 wurde das Gut zu einem Gefangenenlager adaptiert, das später dem Konzentrationslager Groß-Rosen unterstellt war. In diesem wurden zeitweilig Polen, insbesondere auch jüdische Einwohner aus dem östlich von Kalisz gelegenen Gebiet gefangen gehalten. Zwischen Januar 1943 und Mai 1945 wurde es schließlich Internierungslager für Deportierte aus Luxemburg.

Nach dem Zweiten Weltkrieg ließ die Rote Armee Flüchtlinge aus dem durch einen Bürgerkrieg zerrissenen Griechenland im Schloss unterkommen. Anschließend nahm der polnische Zivilschutz kurzzeitig die Anlage in Besitz, bis die Wirtschaftsgebäude in ein staatliches Kinderferienlager umgewandelt wurden.

Seit 1970 stand Schloss Boberstein leer und verwahrloste, obwohl es 1976 unter Denkmalschutz gestellt worden war. In den Folgejahren wurde das Dach abgedeckt, um die charakteristischen Ziegel für den Neubau zweier Wohnhäuser in Hirschberg zu verwenden.

Wie ein deutsch-polnischer Verein das verlassene Schloss wiederbelebte

1994 erwarb ein deutsch-polnischer Verein, der Kultur und Brauchtum Schlesiens erhalten und pflegen wollte, die Ruine. Seither erfolgten zahlreiche Instandsetzungsmaßnahmen an den Wirtschaftsgebäuden, die zum Teil für eine touristische Verwendung ausgebaut wurden. Das dreigeschossige Schloss, dessen Wiederaufbau nun seit einigen Jahren stagniert, erhielt während der Renovierungsarbeiten statt der früheren, stark geschädigten Holzbalkendecken neue Beton-Geschossdecken, wobei aber die noch zum Teil aus dem 16. Jahrhundert stammenden Kreuzgratgewölbe im Erdgeschoss erhalten blieben. Im Innern sind außer den originalen Raumkubaturen auch kleinere Fragmente von Wandmalereien aus dem 16. Jahrhundert sowie Dekorationsmalereien des Historismus erhalten.

April 2024: Wer übernimmt Boberstein?

Im April 2024 wird das der Öffentlichkeit nicht zugängliche Schloss Boberstein zum Verkauf angeboten. Gesucht wird ein Immobilieninvestor mit Denkmalerfahrung und Weitsicht, der das Schloss, einst eines der schönsten im Hirschberger Tal, wieder zu einer touristischen Sehenswürdigkeit in der einzigartigen Kulturlandschaft des Riesengebirges macht.


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